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Das Herz in der Bibel

Das Herz kommt in der Bibel fast 900 Mal vor, es ist eines der am meistgebrauchten Worte. Sind also die alten Hebräer besonders gefühlvoll? Nicht wirklich! Die Fülle hat vielmehr zu tun mit einem anderen Verständnis vom Herzen. Im alten Orient ist das Herz vor allem der Sitz der Vernunft und des Verstandes, nicht des Gefühls. So heißt es in Deuteronomium 29,3: „Ein Mensch hat Augen, um zu sehen, Ohren, um zu hören, und ein Herz, um zu verstehen.“ Für heutige Menschen ist sonnenklar, dass es sich beim Herzen um ein Organ handelt. So weit war das Wissen in der Antike nicht. Die Menschen damals waren davon überzeugt, dass sich das Zentrum der Gedanken ungefähr in der Mitte des Körpers befindet. Ihnen war nicht bewusst, dass das Gehirn für die Gedanken und die Steuerung des Körpers zuständig ist.

Ein Herz, um zu verstehen. Verstehen meint mehr als Denken. Es umfasst auch Gefühle und das Gespür für Moral. Das hebräische Wort Herz im Alten Testament „leb”, oder modern „lev“ ausgesprochen, steht für das Innere eines Menschen. Es ist das Zentrum der Entscheidungsfindung. Das Herz ist der Ort im Körper, an dem Wissen, Gedächtnis und Überlegungen zusammenkommen.

Auch der griechische Begriff für Herz “kardia” beinhaltet verschiedene Bedeutungen. Er umfasst Emotionen, Gedanken und Willen, beschreibt aber auch Wünsche, Sehnsüchte und Gefühle. Es hat also eine ähnliche Bedeutung wie das hebräische Wort für Herz. 

Im Herzen sitzt die Lebenskraft

„Jeder aber gebe, wie er es sich im Herzen vorgenommen hat, ohne Bedauern und ohne Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb“, schreibt Paulus (2. Korinther 9,7). Er fordert die Christen in Korinth dazu auf, darüber nachzudenken, wie viel Geld sie spenden möchten. Für heutige Menschen eine Sache des Verstandes, mit Sitz im Gehirn. Die Menschen in der Antike aber nahmen an, dass sie im Herzen darüber nachdenken.

Im Herzen sitzt auch die Lebenskraft. Die gilt es ab und zu leiblich zu stärken. Das weiß Abraham sehr genau. Als guter Gastgeber bietet er drei Gästen nicht nur Wasser für die staubigen Füße an, sondern auch etwas, um das Herz zu stärken: „Und ich will euch einen Bissen Brot bringen, dass ihr euer Herz labt; danach mögt ihr weiterziehen.“ (Genesis 18,5a)

Der hebräisch denkende Mensch sagt: Essen und trinken stärkt das Herz. Der heutige Mensch sagt: „Essen und trinken hält Leib und Seele zusammen.“ Der Mensch zerfällt in diesem Denken in zwei Teile: den Leib und die Seele. Das Materielle und das Spirituelle. Das Sichtbare und das Unsichtbare. Im Hebräischen denken die Menschen von der Mitte her. Vom Herzen her. Es liegt tief in der Mitte des Körpers, unzugänglich und verborgen.

Das Herz steht auch für den unzugänglichen Raum

Mose spricht vom Herz des Himmels, als er das Volk an das erinnert, was am Horeb geschah. Er sagt: „Ihr standet am Fuß des Berges, während der Berg mit Feuer aufloderte bis ins Herz des Himmels hinein.“ (Deuteronomium 4,11) Und von Absalom, dem Sohn Davids, heißt es, dass er im Herzen der Eiche hängt, also im dunklen, innersten Geäst, verborgen vor allen Blicken. Das Herz steht also auch für den unzugänglichen Raum, für das, was nicht erforscht ist, was den menschlichen Augen verborgen bleibt.

Aber nicht den Augen Gottes! Er sieht ins Herz. Und dort sieht er, wer wir sind. Auch, was wir vorhaben und planen. So warnt Gott Samuel, als er gerade den Falschen zum neuen König salben will: „Nicht auf sein Aussehen und seinen hohen Wuchs sollst du schauen. Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht auf das Herz.“ (1. Samuel 16,7) Viel später überträgt der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry diesen Gedanken auf den Menschen: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

Der weise König Salomo bittet Gott um ein gehorsames Herz, dass er sein Volk richten könne und verstehen, was gut und böse ist (1. Könige 3,9). Gott erfüllt ihm diesen Wunsch, gibt ihm große Weisheit und Verstand.

Geschichte von Simson und Delila

Das Herz des Menschen ist auch der Ort der Erinnerung, des Gedächtnisses sowie seiner Geheimnisse. Ein gutes Beispiel dafür ist die Geschichte von Simson und Delila. Gott wählt Simson aus, um Israel zu retten. Zu jener Zeit regiert das Volk der Philister über die Israeliten. Simsons außergewöhnliche Stärke spricht sich schnell herum und die Philister beginnen, ihn zu fürchten. Sie wollen das Geheimnis seiner Unbesiegbarkeit herausfinden. Als Simson in Gaza ist, begegnet er einer schönen Frau namens Delila. Er verliebte sich in sie. Die Philister wittern ihre Chance. Sie drängen Delila herauszufinden, was das Geheimnis von Simsons Stärke ist, bieten ihr viel Geld dafür. Sie willigt ein. Doch Simson täuscht sie mehrfach. Delila erpresst ihn emotional: „Wie kannst du sagen, du habest mich lieb, wenn doch dein Herz nicht mit mir ist?“ (Richter 16,15a). Sie wirft ihm vor, sie nicht in sein Geheimnis eingeweiht zu haben, sein Wissen nicht mit ihr geteilt zu haben. “Als sie aber mit ihren Worten alle Tage in ihn drang und ihm zusetzte, wurde seine Seele sterbensmatt, und er tat ihr sein ganzes Herz auf“, heißt es in den folgenden Versen. Er verrät ihr also sein Geheimnis: Der Grund für seine unbezwingbare Stärke ist sein Haar. Sollte es geschnitten werden, verlöre er damit seine Kraft. Simson redet sich um Kopf und Kragen, verliert sozusagen seinen Verstand.

Gottes Herz ist ausgerichtet auf seine Beziehung zu den Menschen

Ein anderes Beispiel ist der junge Jesus im Tempel (Lukas 2, 41ff). Seine Eltern wissen nicht, wo der Zwölfjährige ist, sie machen sich große Sorgen. Dann endlich finden sie ihn im Tempel. Jesus fragt erstaunt, ob sie denn nicht gewusst hätten, “dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“ Weiter heißt es: „Und seine Mutter behielt alle diese Worte in ihrem Herzen.“ Biblisch erklärt, heißt das: Ich denke darüber nach.

Gott selbst lässt sich ins Herz schauen. Die Bibel beschreibt ganz menschlich, was Gott im Innersten bewegt. Es geht um Gefühle, Erkenntnis, Erinnerungen, Pläne und vor allem um Gottes Willen. Gottes Herz ist ausgerichtet auf seine Beziehung zu den Menschen, seinen Geschöpfen. Sie bereiten ihm viel Kummer, immer wieder. „Da reute es Gott, auf der Erde den Menschen gemacht zu haben, und es schmerzte ihn bis in sein Herz hinein.“ (Genesis 6,6) Aber Gott verzeiht immer wieder, macht seinen Entschluss, sich abzuwenden, rückgängig. Die Welt und alle Geschöpfe sind und bleiben Gottes Herzenssache.

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