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Ausgebrannt

Wenn das Herz auf der Strecke bleibt

Von Britta Jagusch

© GettyImages / brizmakerErschöpfung bis hin zum Burnout

Immer einsatzbereit, flexibel und mit Begeisterung bei der Sache – wer sich  leidenschaftlich engagiert und alles perfekt machen will, darf sich selbst nicht aus den Augen verlieren. Wenn permanentes „unter Strom stehen“ zur Überbelastung führt, kann dies in der Diagnose Burn-out münden. Die totale körperliche und geistige Erschöpfung hat viele Ursachen. Auf dem Weg aus der Erschöpfungsspirale, spielt die Begegnung mit sich selbst eine wichtige Rolle mit dem Ziel: Sich wieder Zeit zunehmen für seine Herzensanliegen.

Petra K. ist Erzieherin, ihr Beruf ein Wunschjob. Die Arbeit mit den Kindern macht ihr Spaß. Sie organisiert Feste, führt Elterngespräche, bietet Tanz- und Theaterworkshops an. Nach zehn Jahren wird ihr die Leitung der Einrichtung angeboten. Petra K. ist überglücklich. Sie stürzt sich in die Arbeit, will alles 100-prozentig machen. Mit viel Leidenschaft leitet sie die Elterninitiative, arbeitet neue pädagogische Konzepte aus. Alles scheint perfekt. „Irgendwann habe ich gemerkt, dass meine Gedanken, sich nur noch um die Arbeit drehen und ich nicht mehr abschalten und durchschlafen kann“, sagt die 59-Jährige. Jede Nacht um 3 Uhr ist sie wach. „Und dann ging das Grübeln los.

Es allen recht machen und selbst zu kurz kommen

Auch auf der Arbeit läuft vieles nicht rund. Die ehemaligen Kolleginnen akzeptieren ihre neue Rolle als Chefin nur schwer. Der Vorstand der Einrichtung ist unzufrieden mit dem Gesundheitskonzept während der Coronapandemie. Eltern beschweren sich über unzureichende Öffnungszeiten. Mitarbeiterinnen fallen wegen Krankheit aus, Petra K. springt ein, die Arbeit auf dem Schreibtisch häuft sich. Die Kita-Leiterin strengt sich noch mehr an. Sie ist die erste in der Einrichtung und die letzte, die geht. Sie versucht, es allen recht zu machen. „Ich liebe doch meinen Job“, sagt sie sich und macht sich Vorwürfe, warum sie immer so angespannt und müde ist.

Die privaten Verabredungen sind auf ein Minimum reduziert, auch ihre erwachsenen Kinder sieht sie nur noch selten. „Ich war einfach zu ko und am Wochenende konnte ich mich nicht wirklich erholen, immer war das Gefühl da, doch noch etwas erledigen zu müssen.“ Drei Jahre hält Petra K. das durch. Sie nimmt ab, wird unkonzentriert, bekommt chronische Rückenschmerzen. „Als ich eines Morgens nicht mehr aufstehen wollte, wusste ich, jetzt muss sich was ändern.“ Petra K. holt sich Hilfe erst beim Arzt, dann in der Klink, die Diagnose: Burn-out. „Ich war geschockt“, erinnert sich die Erzieherin. In der Reha-Klinik lernt sie viel über sich und die Krankheit. „Das hat gut getan, der Abstand zur Arbeit und der Blick auf mich selbst.“

Arbeitsausfälle wegen psychischer Krankheiten nehmen zu

Petra K. ist kein Einzelfall, Krankenkassen melden eine Zunahme von Fehltagen aufgrund psychischer Erkrankungen, zu denen Burn-out gezählt wird, um 56 Prozent (DAK Psychoreport 2021). In sozialen Berufen liegen die Burn-out-Krankheitstage mehr als zwei Mal so hoch wie in anderen Berufsgruppen. Laut einer Studie der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (2021) zeigen mehr als die Hälfte der Klinikärztinnen und -ärzte sowie Pflegekräfte unter 35 Jahren Anzeichen eines Burnouts.

Das noch vor wenigen Jahren als „Mode-Erkrankung“ verschriene Burn-out-Syndrom ist in der Realität angekommen und wird endlich ernst genommen. Dabei ist Burn-out im klassischen Sinne keine Krankheit, sondern eine andauernde Überlastungssituation, aus der sich psychische oder psychosomatische Störungen entwickeln können, zum Beispiel Depressionen und Angststörungen oder körperliche Beschwerden wie hoher Blutdruck, Herz- und Magenbeschwerden, Kopf- und Rückenschmerzen.

Krankmachende Faktoren: Hohe Arbeitsbelastung und wenig Entscheidungsspielraum

Insbesondere im beruflichen Kontext gibt es viele Faktoren, die Erschöpfungszustände bis hin zum Burn-out befördern: Das Verschwimmen der Grenzen zwischen Beruf und Arbeitsleben, dauernde Erreichbarkeit, Arbeitsüberlastung durch hohen Termin- und Zeitdruck, Flexibilisierung, Vorgaben, die nicht erfüllt werden können, Personalmangel, geringe Wertschätzung, Konflikte mit Kolleginnen und Kollegen, Mobbing, eine fehlende Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und vieles mehr. Meist ist es die Summe von Belastungen, die sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken. Die Belastung steigt, wenn die hohe Arbeitsbelastung einhergeht mit geringem Entscheidungsspielraum und wenig Möglichkeiten, seine persönlichen Fähigkeiten einzusetzen.

Auch Aneta P., die als Pflegerin in einem Seniorenheim arbeitet kennt das Gefühl, es nicht mehr schaffen zu können. „Ich habe sehr gerne mit älteren Menschen zu tun und finde es wichtig, ihnen zur Seite zu stehen.“ Doch in ihrem Job merkt sie, dass sie das, was sie sie gern macht und was ihr Herz bewegt, nicht umsetzen kann. „Wir arbeiten wie am Fließband, keine Zeit für ein Gespräch, oftmals muss ich Dinge tun, die die Menschen nicht wollen und ich auch nicht.“ Aneta versucht dem Druck zu entkommen. „Ich habe abends angefangen Rotwein zu trinken und bevor ich ins Bett gehe eine Schlaftablette genommen.“ Anfangs hilft ihr das, zu vergessen und in einen leeren Schlaf zu fallen. „Mit der Zeit bin ich aber morgens immer schlechter aus dem Bett gekommen, ich habe mich überhaupt nicht mehr auf die Arbeit gefreut, es war wie eine schwere Last.“ Aneta P. geht zum Arzt, sie erzählt von ihrer „Schwere“.

Auch dafür gibt es Tabletten. „Es wurde alles einfacher dadurch, aber auch unwirklicher“, sagt die 32-Jährige. Ihr Mund fühlt sich oft trocken an, sie selbst fühlt sich in Watte gepackt. Auch sie hat irgendwann ihre Lust verloren, an der Arbeit und am Leben.

Im geschützten Rahmen, sein Herz ausschütten

Aneta P. und Petra K. begegnen sich das erste Mal in der Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie. In der Gruppentherapie erzählen sie ihre Geschichten, schütten ihr Herz aus und merken, da gibt es viel Verbindendes. Gemeinsam machen Sie sich auf den Weg, das Wiederzufinden, was ihr Herz wirklich braucht. „Die Arbeitswelt können wir nicht verändern“, sagt Petra K. „Aber ich lerne mehr auf mich und meine Gefühle zu achten. Ich übe, besser mit Anforderungen umzugehen und weiß jetzt mehr, wo ich aufpassen und auch meine Grenzen schützen muss.“

Auch wenn Burn-out jeden und jede treffen kann, gibt es persönliche Eigenschaften, die es dem Burn-out leichter machen, zum Beispiel Perfektionismus, zu hochgesteckte Zielen, die nicht erfüllt werden können, ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung, das Gefühl nicht „Nein“ sagen zu können sowie starke Selbstzweifel und Selbstkritik. Da sich ein Burn-out jedoch nicht plötzlich einstellt, sondern einen prozesshaften, phasenhaften Verlauf nimmt, der sich über Monate, manchmal über Jahre hinzieht, kann dieser Erschöpfungsprozess unterbrochen werden. „Man muss nur erstmal selbst erkennen, dass man in dieser Spirale drin ist“, sagt Petra K. Frühe Anzeichen für ein Burnout sind Reizbarkeit und der Rückzug aus dem sozialen Umfeld. Ausgleichende Aktivitäten wie Sport oder Hobbys werden vernachlässigt und Betroffene leiden häufig unter einem nicht erholsamen Nachtschlaf einerseits und einem starken Schlafbedürfnis am Tag andererseits.

Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen

Wichtig ist dann: Hilfe in Anspruch zu nehmen und über das, was belastet zu reden. Menschen einbinden, denen man Vertrauen schenkt und sich auch Zeit für die Genesung zu nehmen. „Ich musste erstmal lernen, meine Probleme ohne Scham zu erzählen und ohne Schuldgefühle“, sagt Petra K. in der Klinik lernen Petra K. und Aneta P. mit ihren eigenen Ressourcen achtsam umzugehen, Pausen einzulegen und bewusst abzuschalten. „Wir haben uns auch viele Fragen gestellt: Über unsere eigenen Werte und Ziele und, ob sich die Anstrengung lohnt, für das, was wir machen“, sagt Petra K.

Burn-out vorzubeugen oder entgegenzuwirken, heißt auch, dem eigenen Herzen auf den Grund gehen: Was tue ich gerne, was nicht? Wofür schlägt mein Herz? Bin ich eher zuversichtlich oder pessimistisch? Was treibt mich an? Habe ich genug Freude an meinem Tun? Aber auch ganz praktisch zu fragen: Wie sieht momentan mein persönliches Gleichgewicht aus? Habe ich genügend Zeit für meine Familie, für soziale Kontakte, für Sport, meine Hobbies? Ist die Balance zwischen Alleinsein und In-Gesellschaft-Sein ausgeglichen?

Auf neuen Wegen die Erschöpfungsspirale durchbrechen

Manchmal sind es kleine Dinge, die helfen, die Erschöpfungsspirale zu unterbrechen. Warum nicht, eine Verabredung mit sich selbst eingehen an einem fest gelegten Tag sich etwas Gutes gönnen? Warum nicht lernen, sich selbst zu loben? Ob das andere Tun und uns wertschätzen, entzieht sich meist unserem Einfluss. Ob wir unsere Leistung anerkennen und damit auch vermeiden, uns mehr aufzuladen als wir tatsächlich bewältigen können, liegt in unserer Hand. Aufschreiben, was gut gelaufen ist  und Worte, die mich aufgebaut haben. All das schenkt Kraft und hat Auswirkungen auf unsere Psyche.

Manchmal hilft vielleicht nur ein Jobwechsel. Wichtig ist, wer psychische Beschwerden, wie deprimierte, traurige Gefühle die sich selbständig nicht bessern lassen oder Ängste und Panikattacken wahrnimmt oder wechselnde körperliche Beschwerden, für die man keine Ursache erkennt, der sollte sich professionelle Hilfe suchen. Eine erste Anlaufstelle kann einer der 16 Psychologischen Beratungsstellen im Gebiet der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sein. Die Beratungsstellen in evangelischer Trägerschaft bieten fachliche Unterstützung durch eine qualifizierte Problem-, Konflikt- und Krisenbewältigungshilfe. Auch Haus- und Fachärzte für Psychosomatische Medizin oder ein Psychotherapeut können weiterhelfen. Selbsthilfegruppen bieten die Möglichkeit, sich mit Betroffenen auszutauschen.

 

 

 

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Beratungsstellen in der EKHN

Eine erste Anlaufstelle kann einer der 16 Psychologischen Beratungsstellen im Gebiet der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sein. Die Beratungsstellen in evangelischer Trägerschaft bieten fachliche Unterstützung durch eine qualifizierte Problem-, Konflikt- und Krisenbewältigungshilfe.

Auch Haus- und Fachärzte für Psychosomatische Medizin oder ein Psychotherapeut können weiterhelfen. Selbsthilfegruppen bieten die Möglichkeit, sich mit Betroffenen auszutauschen.

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